Liebes Tagebuch,
heute nehme ich dich mit in die Zeit, als ich 11 und 12 war. Ich war in der 5. Klasse und dann in der 6. Die Schuhe, die damals in Mode kamen, waren keine geringeren als die „Superstars“… Eltern werden dafür kritisiert, dass sie ihren Kindern zu sehr die Richtung vorgeben würden… wenn Eltern es nicht tun, tun es eben die Werbungen, die Werbemacher, Serien, Zeitungen, die Öffentlichkeit in der Hand von elitären und geldgeilen Gesäßöffnungen. Da möchte ich auch kein anderes Wort verwenden. Nun, ich war 11 und wie alle anderen Kinder wollte ich das, was „man“ ja besitzen muss: Neue Schuhe. Dieses Mal eben die „Superstars“. Ihre Kennzeichen waren die 3 Streifen. Eben diese Superstars waren aber gar nicht so günstig. Vor allem für mich aus einem Hartz IV-Haushalt (was an sich schon als eine Sünde ohnegleichen gilt in der Gesellschaft, als ob das immer in der eigenen Macht liegt) und ja, logischerweise konnte ich mir diese Schuhe nicht leisten, aber auch ich wollte sie besitzen. Also kaufte ich mir eine Nachahmung: mit zwei Streifen und die Streifen waren beige statt schwarz und sie waren nicht gerade sondern gezackt. Damit sie aber schwarz sind, bemalte ich sie – wie wundervoll naiv und töricht doch ein Kind denkt – mit einem schwarzen Edding. Wie sollte es anders sein: Hier und da lachten mich andere aus. So ist halt das Leben.
Als ich mehr als 10 Jahre später in Ankara ein Erasmussemester absolvierte, sah ich dort auch Superstars. Mir fiel ein, dass ich sie damals besitzen wollte, doch hier kosteten sie mehrere 100 Lira, das war mir auch zu viel, wenngleich ich sie mir theoretisch hätte leisten können. Doch nein. Das wäre ein Sieg des Schuhs über mich gewesen. Ich wäre zu einem Sklaven des Schuhs geworden, des Konsums. Nun denn, vor zwei Tagen kam mein Cousin und er suchte nach einem Schuh, also fuhren wir nach Wolfsburg ins Outlet: die Stadt, in der ich jahrelang arbeitete. Die erste Rückkehr seit langer Zeit… Mein Cousin fand nichts – und ich, ich sah sie vor mir! 55€! Nicht viel mehr, als ich sonst ausgebe für Schuhe. Die Wunde der Kindheit sollte sich nun schließen! Nun, dachte ich! Ich gab in der Aufregung den Pin meiner Karte falsch ein, weil ich die Karten verwechselt hatte und ja… auf der Karte, deren Pin ich mit Sicherheit im Kopf hatte, war nicht genügend drauf. Doch: mein Cousin half mir aus und ich gelangte zum ersten Mal in meinem Leben in den Besitz der Superstars. Der junge Ahmet hatte es geschafft.
Ich weiß nicht mal mehr, wer mich auslachte damals. Nun, ob er jetzt immer noch lachen würde? Ich weiß es nicht! Möge Allah sie segnen, die mich auslachten, denn dadurch wurde mir diese aufregende Geschichte geschenkt. Möge Allah alle segnen, die mir schaden wollen… sie lehren mich ja erst, aktiver zu werden. Würde ich nicht ausgelacht worden sein, würde ich auch heute nicht dichten können.
Ich wurde für meine schlechten Deutschkenntnisse verhöhnt und verlacht, also beschloss ich der größte, zeitgenössische deutsche Dichter zu werden! Der Titel des Königs der Poeten, er ist mein Verlangen! – Die passenden Schuhe dazu habe ich bereits. Sie werden mich daran mahnen, dass ein Traum sich erfüllt, wenn auch spät. Alles Gute und Schöne trifft dann ein, wenn sich in Geduld und Standhaftigkeit geübt wurde… der Meister der Romantiker: Muhammed, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, hat auch hier recht behalten…